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Dokumentation

„Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung beim Gottesdienst zur Verabschiedung von Juliusspital-Oberpflegamtsdirektor Walter Herberth am Montag, 25. November 2024

Sehr geehrter Herr Innenminister,

sehr geehrter Herr Oberpflegamtsdirektor, lieber Herr Herberth,

sehr geehrte Herren Oberpflegamtsräte, lieber Herr Prof. Dr. Steger und lieber Herr Pfarrer Stühler,

sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Juliusspital-Stiftung und des Klinikums-Würzburg Mitte,

sehr geehrte Festgäste!

Versehrt an der Seele trotz sichtbarer Erfolge?

„Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“

Die Frage Jesu aus dem heutigen Evangelium hat auch nach 2000 Jahren nichts von ihrer Aktualität verloren. Jesus beschreibt das Paradox von äußerem Gewinn, der aber teuer erkauft wird mit dem inneren Verlust der Seele. Was nach außen hin wunderbar wirkt, kaschiert in Wahrheit eine erschreckende innere Leere.

Die Gefahr, seine Seele zu verlieren, droht heute nüchtern betrachtet allen, die in leitenden Positionen in der Verantwortung stehen. Das gilt für die Bereiche der Politik und der Wirtschaft genauso wie für die, die in den öffentlichen Verwaltungen, dem Gesundheitswesen und nicht zuletzt auch der Kirche tätig sind – um nur einige Tätigkeitsfelder beispielhaft zu nennen. Denn der Druck ist allenthalben groß und erfordert eine ebenso stabile physische wie psychische Gesundheit.

Belastungen im Gesundheitssektor

Gerade diejenigen, die unter den aktuellen Bedingungen Kliniken zu leiten haben, wissen ein Lied davon zu singen. Herr Herberth wird in diesen Chor sicher einstimmen können. Der belastenden Faktoren sind viele.

Da ist zum einen die dauernde Konkurrenzsituation zu anderen Anbietern, die dazu zwingt, sich auf dem Gesundheitsmarkt zu behaupten, angefangen von der Außendarstellung bis hin zu den größeren Gewinnen, die man erwirtschaften muss, um bestehen zu können. Hinzu kommen heute die misslichen gesundheitspolitischen Vorgaben, die einige Kliniken sehenden Auges in die Insolvenz laufen lassen – Anschauungsbeispiele gibt es dafür in unserer unmittelbaren Umgebung leider genug. Der gegenwärtige Pflegenotstand und damit der immer bedrängendere Mangel an Ärzten und an Pflegepersonal stellt die Verantwortungsträger faktisch vor unlösbare Aufgaben.

Angesichts einer solchen Lagebeschreibung klingt die Warnung Jesu noch einmal aufrüttelnder: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“

Meisterung der Aufgaben

Ich - und ich glaube sagen zu dürfen - wir alle sind froh, dass Sie, lieber Herr Herberth, diesen extrem herausfordernden Spagat hervorragend gemeistert haben. Als Oberpflegamtsdirektor in der Juliusspital-Stiftung und später dann auch in der Verantwortung für das neu gebildete Klinikum Würzburg Mitte. Für Ihren enormen Einsatz in den vergangenen 25 Jahren sind wir Ihnen zu sehr großem Dank verpflichtet.

Sie haben sich in der Tat Ihre Seele bewahrt und keinen – zumindest keinen sichtbaren – Schaden genommen, trotz der Herausforderungen, die Sie oft genug an den Rand Ihrer Belastbarkeit gebracht haben. Dem förderlich war sicher das gute Miteinander im Oberpflegamt, wie ich es von außen zumindest meine wahrgenommen zu haben, und Ihr Bemühen um ein gutes Betriebsklima, nicht nur im Klinikbereich, sondern in allen Arbeitsfeldern der Komplexeinrichtung Juliusspital, angefangen von der Altenhilfe bis zu den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, den Weinbau natürlich nicht zu vergessen.

Wir hatten ja kürzlich die wunderbare Gelegenheit einer gemeinsamen Besichtigungs- und Abschiedstour, die informativ wie kulinarisch ein Hochgenuss war. Hierbei wurde noch einmal deutlich, was über dieses letzte Vierteljahrhundert hinweg geleistet wurde. Aber ebenso deutlich wurde, vor welch großen Herausforderungen heute alle Betriebsteile stehen und welche Aufgaben auf Ihren geschätzten Nachfolger Herrn Eck warten.

Die Seele des Juliusspitals bewahrt

Sie haben aber nicht nur Ihre Seele vor Schaden bewahrt, sondern auch dafür gesorgt, dass das Juliusspital nicht zu einem seelenlosen Betrieb geworden ist. Denn das ist leider nur allzuoft der hohe Preis, den man für den äußeren Erfolg zahlt. Er ist dann teuer, zu teuer wie ich meine, erkauft. Ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihr Bemühen, eine menschenwürdige Pflege sicherzustellen, die unseren christlichen Ansprüchen genügt. Denn wenn ein Krankenhaus sich nur noch zur Gesundheitsfabrik entwickelt, läuft es Gefahr alles zu verspielen, die Seele und den wirtschaftlichen Erfolg obendrein.

Das vier Tugenden des Stifters

Mein großer Vorgänger im Amte, Bischof Julius Echter, sah im Übrigen die Stiftung des Juliusspitals immer im Zusammenhang mit drei weiteren großen Bauwerken, die weithin sichtbar vier Tugenden dokumentieren sollten, denen er sich in besonderer Weise verpflichtet sah. Das Titelkupfer der „Encaenia et Tricennalia Juliana“, der Festschrift zum dreißigjährigen Bischofsjubiläum, zeigte dies in eindrücklicher Weise.

Für die Tugend der Religio, der Frömmigkeit also, stand die Marienkirche der Festung, die er hatte erneuern lassen. Die Tugend der Constantia, der Beständigkeit oder Wehrhaftigkeit, wurde durch die Festung repräsentiert, die er ausbauen ließ. Der Hort der Sapientia, der Weisheit, war die Universität, die er neu begründet hatte. Für die Übung in der Tugend der Misericordia, der Barmherzigkeit, stand natürlich das Juliusspital selbst. Es war damals eine wegweisende Einrichtung der öffentlichen Gesundheitsfürsorge privater Initiative. Ihr Fortbestand bis heute zeugt nicht nur vom Weitblick des fürstbischöflichen Stifters, sondern auch von der Klugheit und dem unternehmerischen Geschick des jeweiligen Oberpflegamts und seiner Vertreter. Sie haben dieses kostbare Erbe als Auftrag verstanden und es bis heute durch alle Fährnisse der Geschichte in seinem Bestand bewahrt. Das erachte ich als ein großes Geschenk.

Das notwendige Miteinander von Religio, Sapientia, Constantia und Misericordia

Damit dies gelingt, braucht es immer das Zusammenspiel aller vier Tugenden, die Julius Echter als maßgebend für alles erfolgreiche Tun betrachtete. Grundlage allen Engagements ist und bleibt die Religio, der Glaube. „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es retten.“ So hieß es eben im Evangelium. Dieses Wort Jesu beschreibt die Motivation für unseren Einsatz zugunsten der Armen und Kranken. Es ist diese Motivation aus dem Glauben, die uns die Kraft verleiht, im Einsatz für die Bedürftigen um Jesu willen nicht nachzulassen.

Doch ebenso wichtig ist neben der Religio die Sapientia. Denn die Wissenschaft hilft, nach den Regeln der ärztlichen Kunst unseren Dienst zu tun. Nur so können wir den hohen, von außen auferlegten und den selbst gesteckten medizinischen Standards genügen. Aber was wären Religio und Sapientia ohne die Constantia. Es braucht die Standhaftigkeit und die Beharrlichkeit, früher wie heute, um die Schwierigkeiten zu meistern, die sich allenthalben auftun. Das Miteinander der drei erstgenannten Tugenden steckt damit den Rahmen ab, innerhalb dessen das Werk der Barmherzigkeit getan werden kann. Ihr Handeln, lieber Herr Herberth, war an diesen vier Haltungen orientiert. Möge Ihr Nachfolger im Amte in der Orientierung an diesen vier Tugenden das Juliusspital in die Zukunft führen, ganz im Sinne des Stifters.

Ohne falsche Scham seinen Dienst tun

„Wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen.“ So hieß es eben im Evangelium. Ich lese diese Mahnung des Herrn als Aufforderung, unseren Dienst im wahrsten Sinne des Wortes „un-verschämt“ zu tun. Das bedeutet zum einen, dass wir uns nicht verstecken müssen als freie Träger, die aus christlicher Motivation heraus handeln. Wir sollen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Vielmehr dürfen mit Freude und einer Portion Stolz publik machen, was wir erreicht haben, ohne jede falsche Scham.

Un-verschämt heißt in diesem Kontext aber sicher auch, mit der gleichen Entschiedenheit die Problemlagen offen anzusprechen, die die Erfüllung unseres Auftrags heute schwer machen. Die „Dienst-Tage für die Menschen“ sind eine solche Maßnahme, um auf die Notsituation in der Pflege aufmerksam zu machen. Die Forderungen, die seit Jahren in diesem Zusammenhang vorgetragen werden, haben nichts von ihrer Dringlichkeit verloren.

Bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte; weniger Bürokratie, um mehr Zeit für die Menschen zu haben; und die Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an den Erfordernissen der Ökonomie.

Das Ringen um eine gleichermaßen bezahlbare wie menschenwürdige Pflege wird uns noch die kommenden Jahre, wahrscheinlich sogar Jahrzehnte begleiten. Eines aber ist klar: falsche Scham ist hier sicher fehl am Platz. Wer Veränderung will, muss sich auch Gehör verschaffen, um wirklich durchzudringen.

„Promissa nec aspera curans“

Ich komme zum Schluss. Die Kirche feiert heute den Gedenktag der Heiligen Katharina von Alexandrien. Die Überlieferung berichtet, dass sie eine weise und mutige Frau war. Zur Rede gestellt ob ihres Glaubens, gelang es ihr, alle Argumente der Christenverfolger zu entkräften, mehr noch, sie vom wahren Glauben zu überzeugen. Als deutlich wurde, dass man ihr argumentativ nicht beikommen konnte, entschloss man sich dazu, sie zu töten.

Alphanus von Salerno hat ihr zu Ehren im elften Jahrhundert einen Hymnus gedichtet. Die entscheidende Passage in diesem Hymnus lautet, die Märtyrerin Katharina habe mit Gottes Hilfe den Anfeindungen der Menschen widerstanden, wobei sie sich „um die göttlichen Verheißungen kümmerte, nicht um die irdischen Widrigkeiten.“

„Promissa nec aspera curans“, heißt es so wunderbar auf lateinisch:

„der Verheißungen achtend, nicht der Widrigkeiten“.

„Der Verheißungen achtend und nicht der Widrigkeiten“ ist ein Wort der Ermutigung. Es lädt dazu ein, nicht in der Betrachtung der Defizite hängen zu bleiben und sich nicht lähmen zu lassen durch die vor einem liegenden Schwierigkeiten.

Anstatt sich an den Widrigkeiten abzuarbeiten, gilt es, die Verheißungen nie aus dem Blick zu verlieren und so mutig voranzuschreiten geleitet von dem Vertrauen, dass Gott einen niemals fallen lassen wird.

In diesem positiven Geist haben Sie, lieber Herr Herberth, Ihr Amt ausgefüllt. Ich wünsche auch Ihrem Nachfolger, dass er eher der Verheißungen achtet als in den Problemen aufzugehen, die auf ihn warten. Ihnen jedoch, lieber Herr Herberth, wünsche ich nun die Verheißungen des wohlverdienten Ruhestandes.

Für all Ihren Einsatz und all Ihr großes Engagement sage ich Ihnen heute von Herzen „Vergelt’s Gott“. Bleiben Sie behütet! Und Gott befohlen! Amen.