Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Verneigung vor einer großen Frau

Pontifikalrequiem und Trauerstaatsakt für Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm – Bischof Jung: „Kämpferische und gläubige Frau“ – Landtagspräsidentin Aigner, Ministerpräsident Söder und Oberbürgermeister Schuchardt würdigen Lebensleistung Stamms

Würzburg (POW) Eine große Trauergemeinde hat am Freitag, 14. Oktober, im Würzburger Kiliansdom von Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm, Ehrenvorsitzende des Diözesan-Caritasverbands Würzburg, Abschied genommen. Als nimmermüde Fürsprecherin für die Belange Benachteiligter bezeichnete Bischof Dr. Franz Jung die am 5. Oktober im Alter von 77 Jahren Verstorbene. „Ihr Wort hatte Gewicht, weit über Unterfranken hinaus.“  

Mehr als 1000 Personen füllten den Dom bei Pontifikalrequiem und Trauerstaatsakt. Unter ihnen waren Landtagspräsidentin Ilse Aigner, der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Außerdem nahmen Bundestagspräsidentin a. D. Professorin Dr. Rita Süssmuth, Landtagspräsident a. D. Alois Glück, die ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein und Edmund Stoiber (Bayern), Volker Bouffier (Hessen), Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sowie zahlreiche weitere ranghohe Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche teil. Die Feier wurde live vom Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt.

Weitere Bilder

Gemeinsam mit Bischof Jung zelebrierten beim Pontifikalrequiem Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg), Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann, Weihbischof Ulrich Boom, Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbands, Regionaldekan Monsignore Johannes Hofmann (Bistum Regensburg) und Pfarrer i. R. Franz-Josef Stettler.

In seiner Predigt würdigte Bischof Jung Barbara Stamm als frustrationstolerante, kämpferische und gläubige Frau. Schon früh habe sie über die Stationen Familie, Pflegefamilie und Heimaufenthalte die harte Schule des Lebens durchlaufen müssen. „Das weckte in ihr den Wunsch, sich für andere einzusetzen. Zugleich stärkte es ihren Willen, dieses Ziel auch zu erreichen, und sei es gegen Widerstände.“ Darin hätten sie unter anderem Menschen bestärkt, die ihr helfend zur Seite standen, wie die damalige Religionslehrerin, die ihr durch ein Darlehen die Ausbildung zur Erzieherin ermöglichte. Stamm habe daher das Argument nicht gelten lassen, dass Hilfe nicht möglich wäre, weil nicht gesetzlich gedeckt. „Selbst wenn es so war, lautete ihre Antwort: ‚Dann muss das Gesetz eben geändert werden‘“, sagte Bischof Jung. Nach Stamms Worten sei das Spektrum der Menschen sehr groß gewesen, die in den behördlichen Heilsplänen nicht vorgesehen waren. So habe sie unter anderem um die Beibehaltung der Schwangerenkonfliktberatung gekämpft und dabei auch nicht die Konfrontation mit der Kirche gescheut. Menschen mit Behinderung habe ihr Einsatz ebenso gegolten wie der Frauenförderung oder dem Ausbau der Palliativ- und Hospizbetreuung.

Die Erfolge, die sie habe verbuchen können, machten deutlich, wie oft es Stamm gelungen sei, die Grenzen zugunsten vieler Notleidender tatsächlich herauszuschieben und wirksam zu helfen. „Das haben wir im Caritasverband des Bistums Würzburg oft genug erfahren dürfen.“ Dafür sei er ihr persönlich zu Dank verpflichtet und spreche auch im Namen der Caritas, sagte Bischof Jung. Stamm habe bis zuletzt runde Tische organisiert, um Verantwortliche aus allen sozialen Aufgabenfeldern mit politischen Entscheidungsträgern zusammenzubringen. „Das diente dazu, Einblicke in komplexe Zusammenhänge zu eröffnen, die die erforderliche Sensibilität wecken und Entscheidungsprozesse abkürzen“, erklärte der Bischof. Zum Beispiel habe sie die Telefondrähte zum Glühen gebracht, um eine ihrer Erkenntnis nach ungerechtfertigte Abschiebung zu verhindern. Bischof Jung würdigte Stamms breite Klaviatur von Herangehensweisen. Von resolut und ausdauernd bis zurückhaltend und charmant sei sie vorgegangen. „Klein beigegeben hat sie so gut wie nie, wenn sie denn von der Richtigkeit ihres Anliegens überzeugt war.“ Der Glaube, dass mit Jesus mehr möglich sein muss, habe Stamm gestärkt und motiviert. Es sei ihr daher fremd gewesen, vor Autoritäten einzuknicken oder in Ehrfurcht zu erstarren. „Barbara Stamm hat gern die Aufgabe übernommen, andere daran zu erinnern, dass mehr drin ist als man zu glauben geneigt ist.“

Als eine Landtagspräsidentin für das Volk, Dienerin des Volks und bayerische Löwin bezeichnete Landtagspräsidentin Ilse Aigner ihre Vorgängerin in ihrer Ansprache beim Trauerstaatsakt. Barbara Stamm habe früh zu kämpfen gelernt. „Ihr Verständnis für die Sorgen und Nöte der Menschen, aber auch ihre Stärke und Durchsetzungskraft – all das lag tief in ihr selbst begründet.“ Stamm habe lange gegen ihre Krebserkrankung gekämpft und noch viel länger für andere Menschen. Besonders Kinder in Not, sozial Schwache und Menschen mit Behinderung seien ihr am Herzen gelegen. So gut es ging, habe sie sich jedes einzelnen Schicksals angenommen. „Das hat sicher viel Kraft gekostet“, attestierte ihr die Landtagspräsidentin. Für die bayerischen Bürgerinnen und Bürger sei Stamm stets „nahbar, verbindlich, zugewandt“ gewesen. Und das in ihrer Zeit als Würzburger Stadträtin ebenso wie als Landtagsabgeordnete, Staatssekretärin, Staatsministerin, stellvertretende Ministerpräsidentin und als erste Frau an der Spitze der bayerischen Volksvertretung.

Stamms Karriere sei nicht ohne Brüche gewesen, sagte Aigner. Beispielsweise als sie 2001 in der BSE-Affäre Verantwortung übernommen habe, ohne persönlich Schuld auf sich geladen zu haben. „Doch sie kam wieder.“ Unter den meist männlichen „politischen Alphatieren“ habe sie sich als Frau und Abgeordnete durchgesetzt – „mit viel Leidenschaft, Sachverstand und vor allem mit Hartnäckigkeit. Man war immer gut beraten, wenn man auf sie hörte.“ Für die Rechte der Frauen habe Stamm „wie eine bayerische Löwin“ gekämpft. Den Bayerischen Landtag habe sie zu einem Ort der Transparenz und Begegnung gemacht und persönlich immer wieder Impulse für die politische Agenda gegeben, betonte Aigner. „Hinter verschlossenen Türen, nicht vor der breiten Öffentlichkeit, hat sie kein Blatt vor den Mund genommen.“ Zudem habe Stamm zahlreiche Organisationen unterstützt – von der Caritas über die Lebenshilfe, die bayerischen Volkshochschulen und die Brustkrebs-Patientinnen-Initiative mamazone bis hin zur Bayerischen Kinderhilfe Rumänien. Aigner regte daher an, in Anerkennung der Verdienste der Verstorbenen das im August eröffnete „Zentrum für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt“ in Maria Bildhausen (Landkreis Bad Kissingen) künftig „Barbara-Stamm-Zentrum für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt“ zu benennen. „Barbara, in unseren Herzen lebst Du fort“, schloss Aigner ihre Rede.

Ministerpräsident Söder sprach von einem „Stich ins Herz“, welchen ihm die Nachricht vom Tod Stamms versetzt habe. Die Politikerin sei ein Fixstern am bayerischen Himmel gewesen, von dem niemand gedacht habe, er könne jemals an Strahlkraft verlieren oder gar verlöschen. Stamm sei für viele die „Mutter Bayerns“, „Seele Frankens“ und „Bayerische Queen der Herzen“. Ihrem politischen Einsatz sei es zu verdanken, dass „Milliardenbeträge“ nach Unterfranken geflossen seien und nicht nur nach München und Umland.  Über Parteigrenzen hinweg war Stamm nach den Worten Söders geachtet und respektiert. So habe bei Koalitionsgesprächen in Berlin Angela Merkel Wert darauf gelegt, dass Stamm mit hinzukomme, damit alle wichtigen sozialen Belange mitbedacht werden.

„Barbara Stamm hat ihre Kraft aus der Leidenschaft und Menschlichkeit gezogen – und nicht aus dem Amt“, betonte Söder. Es sei daher wenig verwunderlich, dass sie bei Umfragen stets weit beliebter gewesen sei als alle bayerischen Ministerpräsidenten. Tribut zollte Söder Stamm auch für ihre Fähigkeit, politische Rückschläge gut wegzustecken. „Auch wenn sie nicht im Amt war: Sie war aus einem tief in ihr verankerten christlichen Menschenbild heraus immer im Dienst.“ Jedes Schicksal sei Stamm wichtig gewesen. „Deswegen war ihr keine Aufgabe zu klein und keine Anstrengung zu groß.“ Söder habe sie daher als einen Fels in den Stürmen der Zeit wahrgenommen. Nicht umsonst seien viele Errungenschaften in Bayern „unserer Barbara“ zu verdanken. Zudem hob der Ministerpräsident Stamms Geselligkeit und Spaß am Feiern hervor. „Wenn Barbara da war, war auch Freude da.“ Genau wie sie bei fast allen Festivitäten die Letzte gewesen sei, sei sie am nächsten Morgen beim Arbeiten die erste gewesen – „frisch und fit“. „Sei unser Schutzengel, Barbara, und gib uns ein bisschen von Deiner Kraft“, rief Söder der Verstorbenen zu.

„Ich kenne niemanden, der in unserer Zeit die Entwicklung unserer Stadt so umfassend und intensiv begleitet und nachhaltig geprägt hat wie Barbara Stamm“, würdigte Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt die verstorbene Ehrenbürgerin. Ihre Heimat am Main sei immer der Mittelpunkt und Referenzrahmen ihres fruchtbaren gesellschaftlichen Wirkens gewesen. „Ihre engagierte Mitmenschlichkeit, ihre Empathie, ihre spontane Herzlichkeit machten sie zur beliebtesten Politikerin in ganz Bayern und natürlich auch in unserer Stadt.“

Schon in ihrer Zeit als Stadträtin habe Stamm sich erfolgreich für die Einrichtung einer Gleichstellungsstelle, des ersten städtischen Kindergartens, des ersten Würzburger Frauenhauses oder die Einführung eines kommunalen Erziehungsgelds eingesetzt. Auch als Landespolitikerin sei Stamm eine „Meisterin der Politik“ gewesen. „Wo sie nicht selbst entscheiden konnte, leistete sie Überzeugungsarbeit, schmiedete sie Allianzen, überwand sie Hemmnisse, indem sie alle Beteiligten an einen Tisch brachte und manches Mal auch Entscheider nachgerade zur Teilnahme verpflichtete.“ So habe es in den vergangenen Jahrzehnten kaum ein staatliches Großprojekt gegeben, das Stamm nicht entscheidend vorangebracht habe, beispielsweise den barrierefreien Ausbau des Würzburger Hauptbahnhofs, die Erweiterung des Universitätscampus‘ am Hubland  oder den Ausbau der Universitätsklinik. Stamm hinterlasse eine große, schmerzende Lücke. Für ihn persönlich sei sie eine enge und vertraute Wegbegleiterin, Ratgeberin in Krisenzeiten und auch Freundin gewesen, erklärte der Oberbürgermeister.

In emotionalen Worten erinnerte Stamms älteste Tochter Claudia an ihre Mutter. Besonders habe diese sich über die Bezeichnung „Präsidentin der Herzen“ gefreut. Ihren drei Kindern habe sie das Mitgefühl und den Einsatz für Menschen in Not nahegebracht, aber auch das Gespür, dass es wichtig sei, das Schöne im Leben zu genießen.

Für den musikalischen Rahmen sorgten Domorganist Professor Stefan Schmidt, der Würzburger Domchor, das Bayerische Staatsorchester und Sopranistin Maria Bernius unter der Leitung von Domkapellmeister Alexander Rüth. Es erklang unter anderem das Requiem in d-moll, KV 626, von Wolfgang Amadeus Mozart. Außerdem erklang, wie von Barbara Stamm für ihr Requiem ausdrücklich gewünscht, „Großer Gott, wir loben Dich“.

mh (POW)

(4222/1153; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet