Liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Amt,
liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
auch wenn das Hochfest „Verkündigung des Herrn“ in diesem Jahr auf den 8. April verlegt wird, erlaube ich mir am heutigen Karmontag dennoch, das Evangelium des Hochfestes zu wählen. Ich tue dies nicht nur wegen der Verkündigung des neuen Weihbischofs am heutigen Montag – einer besonderen Form der Verkündigung des Herrn – sondern auch deshalb, weil ich meine, dass das Evangelium von der Begegnung Mariens mit dem Engel Gabriel sehr schön zur Feier der Heiligen Öle in der Chrisammesse passt.
„Seid gegrüßt, ihr Begnadeten!“
So wage ich es mit dem Engel Gabriel, Ihnen allen zuzurufen „Seid gegrüßt, ihr Begnadeten!“ Seid gegrüßt, die ihr den Ruf des Herrn gehört habt, der durch seinen Engel an Euch ergangen ist.
Maria sei bei dieser Anrede erschrocken, überliefert der Evangelist Lukas. Und wie war das bei uns? Wie erging es uns, als wir zum ersten Mal den Gedanken hatten, unser Leben in seinen Dienst zu stellen? Wie hat sich das angefühlt? Spüren wir noch heute das heilsame Erschrecken? Haben wir uns gewehrt gegen diesen Ruf? Oder war es eine freudige Überraschung? Haben andere uns auf diesen Ruf aufmerksam gemacht, die es schon lange ahnten und unseren Werdegang beobachteten? Oder spielten wir selbst mit diesem Gedanken? Ging es so plötzlich wie im Evangelium? Oder hat es eines längeren Anlaufs und einer längeren Vorbereitungszeit bedurft, bis wir uns zu einem Ja durchringen konnten?
Jede Berufungsgeschichte verläuft anders. Aber jede Berufungsgeschichte gründet in der ersten aller Berufungsgeschichten, in der Berufung Mariens.
„Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteilgeworden ist!“
Das heutige Evangelium lädt uns jedenfalls ein, noch einmal zurückzugehen zum Ursprung unserer eigenen Berufung. Auch uns ruft der Apostel Paulus heute zu: „Entfache die Gnade Gottes wieder neu, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteilgeworden ist!“ (2Tim 1,6)
Genau darum geht es am Tag der Erneuerung unseres Weiheversprechens: die Gnade Gottes wieder neu zu entfachen, in der uns geschenkt wurde, unser Leben in seinen Dienst zu stellen. Ich freue mich jedenfalls über jeden Einzelnen, der den göttlichen Anruf vernommen und mit ungeteiltem Herzen sein Ja dazu gesagt hat. Denn jedes menschliche Ja zu Gott gründet in diesem ersten Ja-Wort, das Maria stellvertretend für die ganze Kirche Gott gegeben hat. Jedes weitere Ja ist ebenso staunenswert wie das Ja-Wort Mariens. Es ist ein Geschenk der Gnade Gottes, das den menschlichen Willen befreit aus dem Kreisen um sich selbst und uns befähigt, mit Maria zu sagen: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“
Das Chrisam als Zeichen für den Heiligen Geist, der Christus im Menschen zeugt
„Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten!“ So hatte der Engel auf die bange Frage Mariens geantwortet, wie es denn sein könne, dass sie ein Kind gebiert, wo sie doch keinen Mann erkennt. Der Heilige Geist wird über jeden kommen, der seinen Ruf hört, der bereit ist, mit Maria Christus in die Welt zu tragen.
Das Zeichen für den Heiligen Geist, der Christus im Menschen zeugt, ist das Heilige Chrisamöl. Die Salbung mit dem heiligen Chrisam macht uns mit Maria zu Christusträgern. Denn kraft des Heiligen Geistes wird das Kind wahrer Mensch und wahrer Gott. Der Heilige Geist weiht das Kind im Mutterschoß zum ersten und einzigen Diener Gottes und zum Hohepriester der Kirche.
Wie Maria diesen Christus in die Welt trägt, so sollen auch die geweihten Amtsträger Christus in die Welt tragen. Das heißt: sie sollen so leben und wirken, dass der Diener und Priester Christus durch sie wirken kann.
In unserer Verkündigung muss deutlich werden, dass der Herr durch uns spricht und wir das Wort des Evangeliums nicht um seine Kraft bringen. In der Spendung der Sakramente muss man spüren, dass der Herr selbst wirkt und wir uns nicht ungehörig in den Vordergrund drängen. In der Leitung der Gemeinden müssen wir Maß nehmen an Christus, dem ersten Diener aller, der gekommen ist, zu dienen und sich nicht bedienen zu lassen. Und wir müssen Maß nehmen an Christus dem Priester, der sich selbst als lebendiges Opfer dargebracht hat, so dass sich die Liturgie der Kirche im Gottesdienst unseres Lebens fortsetzt. Denn die solcherart gesalbten sollen das ganze Gottesvolk dazu befähigen, hochherzig mitzuwirken an der Verwandlung der Welt, auf dass die Kirche zum Sakrament des Heiles für alle werde.
Das Katechumenenöl und die Bewahrung der Gabe der Jungfräulichkeit
Um uneingeschränkt sein Ja-Wort geben zu können, bedarf es der Gabe der Jungfräulichkeit. Dafür steht die Weihe des Katechumenenöls. Gesalbt mit diesem Öl beginnt der Mensch einen Weg der Gottsuche. Diese Gottsuche hört nie auf. Unsere Berufungsgeschichte kristallisiert sich zwar in dem einmaligen Ja-Wort, das wir sprechen bei unserer Weihe. Aber die Geschichte unserer Berufung geht weiter, ein ganzes Leben lang. In jeder Lebensphase, in jedem neuen Dienstamt, an jedem neuen Ort müssen wir dieses Ja-Wort erneuern. Zugleich ergeht an uns die Frage, wie wir unter veränderten Umständen die Treue halten wollen.
Die größte Gefahr droht dabei aus einem müde gewordenen Herzen. Es zeigt sich in der inneren Haltung, die nichts mehr erwartet von Gott und vom eigenen Leben. Wo das der Fall ist, geht die Offenheit, die in der jungfräulichen Haltung Mariens versinnbildet wird, verloren.
Sinnenfälliger Ausdruck dessen ist der Priester Zacharias, der Mann Elisabeths. Seit Jahren hat er mit Gott abgeschlossen, nachdem sein Kinderwunsch unerfüllt blieb. Er wird zum Kirchenbeamten. Regelmäßig versieht er exakt nach Vorschrift seinen Tempeldienst, aber mit seinem Herzen ist er weit weg. Er glaubt gar nicht mehr daran, dass sein Dienst im Heiligtum etwas bewirken könnte. Deshalb zeigt er sich überfordert und verstört, als ihm der Engel mitteilt, dass seine Gebete erhört worden seien. Weil er nichts mehr erwartet hatte, konnte er sich auch nicht mehr freuen. Nicht umsonst wurde er mit Stummheit geschlagen, denn seine Gebete drangen schon lange nicht mehr zum Himmel durch.
Mühsam musste Zacharias neu erlernen, Gott Gott sein zu lassen. Er musste sein Herz neu bereiten, um sich über die Wunder Gottes freuen zu können, die immer das übersteigen, was wir erbitten und ersehnen. Und der Herr musste ihm von neuem den Lobgesang in den Mund legen, der schon lange verstummt war aufgrund seines verhärteten Herzens.
Das Katechumenenöl mahnt uns, uns innerlich nicht zur Ruhe zu setzen. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet nicht euer Herz!“ Es ist dieser morgendliche Gebetsruf des Invitatoriums, der uns aus dem Schlaf der Trägheit aufweckt, um vor den Herrn zu treten und ihm mit Freude zu dienen. Ein solch jungfräuliches Herz ist mit Maria immer dann bereit, wenn der Herr sagt, dass es Zeit ist und nicht, wenn wir meinen darüber befinden zu können, ob sein Ruf uns in den Kram passt, oder nicht.
Das Krankenöl und die Annahme unserer Schwachheit
Eine andere Gefahr droht uns angesichts der Erfahrung unserer Schwachheit. Versinnbildet wird das in der Figur der Elisabeth. Die gefühlte Unfruchtbarkeit ihres Wirkens macht sie einsam. Sie sieht sich beschämt, weil ihre Erwartungen enttäuscht wurden, und zieht sich zurück. Im Herzen ist auch sie alt geworden und müde.
Wir kennen das, wenn die Resignation sich wie Mehltau über alles legt; wenn wir uns zurückziehen und uns immer weniger zutrauen. Wir spüren die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit, aber auch die Grenzen, die unserer Wirksamkeit gesteckt werden. Wir sehen alles für aussichtslos an und haben keine Kraft mehr. Misserfolge machen uns mürbe.
Elisabeth muss lernen, dass es solche Durststrecken im Leben gibt. Sie muss lernen, dass das nicht das Ende überhaupt ist, sondern nur das Ende einer bestimmten Lebensphase oder einer bestimmten Lebenseinstellung. Erst als sie versteht, dass wir die dunklen Stunden und tiefen Täler durchleben und durchwandern müssen, ohne darin stecken zu bleiben, eröffnet sich ihr eine neue Sicht. Sie lernt, dass man das nicht machen kann. Aber sie lernt auch, dass man gerade in diesen Situationen neu auf Gott vertrauen muss. Er nimmt deshalb in Maria Menschennatur an, um für uns unsere Schwachheit anzunehmen. Nur so können wir mit ihm voranschreiten im geistlichen Leben, ohne stehen zu bleiben. Denn für Gott ist nichts unmöglich.
Im Krankenöl salbt Gott auch unsere Schwachheit, damit wir mit dem Apostel Paulus sagen können: „wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“. Dann überhebe ich mich nicht. Aber ich weiß, dass auch meine Schwachheit eine Form der Verkündigung sein kann. Denn die Schwäche, die angenommen wird, kann zum Ausgangspunkt eines erlösten Lebens werden. Ja, Gott bedient sich der Schwachen, um alle Starken und Selbstgerechten zu schanden zu machen, wie es im ersten Korintherbrief heißt.
Der Anfang des Heils in Maria
Liebe Mitbrüder,
die Begegnung des Engels mit Maria markiert den Anfang der Heilsgeschichte. Auch wenn Maria nicht weiß, wie es gehen soll, beginnt sie ihren Weg mit Gott. Auch wenn Maria nicht ahnt, wohin ihr Weg sie führt, läuft sie los. Auch wenn Maria nicht weiß, wieso der Herr gerade sie ausgewählt hat, vertraut sie auf seinen Ruf.
Ich wünsche uns allen die begnadete Zuversicht Mariens, der Mutter der Kirche, für unseren eigenen Weg der Nachfolge. Der Herr salbe uns mit dem Chrisam, um in seiner Kraft zu wirken. Er salbe uns mit dem Katechumenenöl, um niemals stehen zu bleiben auf unserem Weg. Er salbe unsere Verwundungen mit dem Krankenöl, damit wir ihn als den gekreuzigten und auferstandenen erkennen, der uns ins Leben durch alle Höhen und Tiefen vorausgeht.
Danksagung für den Dienst
Danke für Ihren Dienst. Danke für Ihr Dasein heute, mit dem Sie zeigen, dass Sie in Einheit mit dem Bischof und dem ganzen Diözesanklerus Ihren Dienst versehen wollen. Danke für die Erneuerung Ihres Weiheversprechens heute vor Gott und dem ganzen Volk.
Beten wir an diesem schönen Tag auch für unseren neuernannten Weihbischof Paul Reder, der heute gewissermaßen mit Maria sein persönliches Ja-Wort spricht für den künftigen Dienst in unserem Bistum!
Danken wir heute aber auch unserem nunmehr emeritierten Weihbischof Ulrich für sein geduldiges Ausharren im Amt über seinen 75. Geburtstag hinaus. Der Herr vergelte ihm seinen hingebungsvollen Dienst! Vor allem aber beten wir heute gemeinsam für ihn um eine gute Genesung!
So wollen wir nun im Vertrauen auf die Gottesmutter unser Ja-Wort erneuern, das wir einst dem Herrn gegeben haben. Amen.