Lieber Herr Professor Stich,
liebes Team von medmissio,
liebe Festgäste,
liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Die Osterbotschaft vom Sieg über das Leben als Missionsauftrag
„In jener Zeit erschien Jesus den Elf und sprach zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“
Der auferstandene Herr hat den Tod besiegt und damit die Grenzen von Raum und Zeit überwunden. So wundert es nicht, dass sich sein Missionsbefehl auf alle Zeiten bezieht, auf die ganze Welt, ja auf alle Geschöpfe, wie es ausdrücklich heißt.
Seit 100 Jahren versteht sich das Missionsärztliche Institut als Instrument, die Botschaft vom Sieg des Lebens in die ganze Welt hinauszutragen. Der Beginn dieser Mission stand anfangs noch ganz im Zeichen der Kolonialisierung. Nicht selten verstand man die Gesundheitsfürsorge auch als ein Mittel, die christliche Botschaft zu verkündigen. So bestand die Gefahr des Proselytismus, der sich für die Glaubensverkündigung die Notlage eines anderen zunutze macht. Hilfe erscheint vor diesem Hintergrund nicht selbstlos, sondern höchst eigennützig. Dass ein solcher Ansatz nicht trägt, haben wir, haben Sie seit langem erkannt, jenseits der medizinischen Hilfestellung die auch damals schon beachtlich war.
Der neue Name „medmissio“ als „Institut für Gesundheit weltweit“ unterstreicht den Perspektivwechsel eindrücklich. Es geht nicht mehr um Über- und Unterordnung, sondern um Hilfestellung auf Augenhöhe für Menschen in Not auf unserem ganzen Planeten. Hat sich auch der Name geändert, die Motivation ist gleichgeblieben. Es ist die österliche Botschaft vom Leben, das durch keinen Tod mehr verschlungen wird, und damit der Glaube an die Heilung aller Menschen aller Zeiten, der sie bis heute begeistert und antreibt.
Die Arbeit geht dabei nicht aus, ja bisweilen scheint es, als würden sich in der globalen Welt immer neue Problemfelder eröffnen. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass wir die Probleme jetzt überhaupt erst in ihrem Ausmaß wahrnehmen und die Herausforderungen begreifen lernen, vor denen wir alle stehen.
Eines ist klar: Wie in den Tagen des Heiligen Franz-Xaver braucht es Abenteuerlust, Mut, sich oftmals unkalkulierbaren Risiken auszusetzen, Freude an der Improvisation und jede Menge Durchhaltevermögen, wenn man sich auf eine solche Mission einlässt; oder wenn man sich gar aussenden lässt, wie wir es alljährlich am Dreikönigsfest, dem Fest, an dem wir des Heiles aller Völker gedenken, praktizieren mit Ärzten und Ärztinnen und Pflegekräften. Auf diese Weise wird dem Missionsgedanken auch liturgisch sichtbarer Ausdruck verliehen im Raum der Kirche.
Die Aufgaben, denen sie sich verschrieben haben, finden sich in unserem österlichen Evangelium trefflich beschrieben.
Dämonen austreiben durch Beraten
„Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben.“
Mit dem Auftrag, Dämonen auszutreiben, könnte man sofort magische Riten assoziieren, die uns in die Welt des Okkulten führen. Das ist aber die Sache von medmissio nicht und zum Austreiben der Dämonen braucht man auch keine magischen Beschwörungsformeln.
Nein, Dämonen treibt man dadurch aus, dass man sie beim Namen nennt. Denn erst indem das Tabu gebrochen wird und die Schweigegebote aufgehoben werden, verlieren die Dämonen ihre Macht. Sie müssen sich zeigen und ihre Herrschaft wird als Schein entlarvt. So verstanden, gehört das Austreiben der Dämonen zu ihrem Kerngeschäft. In ihrer Mission fassen Sie es in den Auftrag, andere umfassend zu beraten.
Dieser Beratungsdienst hat viele Facetten. Auf der einen Seite geht es darum, die Bedrohung durch Krankheiten offen anzusprechen, gerade auch dann, wenn sie schambehaftet sind wie beispielsweise Aids. So wird es möglich, die Gefahren, die davon ausgehen, zu beschreiben und Vorkehrungen gegen mögliche Infektionen zu treffen.
Die Beratung bezieht sich aber auch auf Einrichtungen wie Krankenhäuser, diözesane Gesundheitsdienste und Laboratorien. Hier geht es darum, die medizinische Entwicklung gemeinsam voranzutreiben und die nötigen Sachkenntnisse zu vermitteln, die helfen, Krankheiten einzudämmen.
Weil medizinische Hilfe häufig jedoch nur Symptombekämpfung ist, verfolgt die Beratung das Ziel, den jeweiligen Kontext und den systemischen Rahmen zu analysieren. Nur so werden scheinbar gottgegebene Bedrohungen durchsichtig auf ihre eigentlichen Ursachen hin. Diese liegen oftmals in Armut, sozialer Ungerechtigkeit, Gewalterfahrungen und fehlender hygienischer Aufklärung. Dämonenaustreibung verfolgt damit immer wieder neu das Ziel, die eigentlichen Ursachen zu benennen, um die vermeintliche Unabänderlichkeit zu durchbrechen und Wege zum umfassenden Heil und zur Heilung zu bahnen.
Mit neuen Sprachen auf bestehende Missstände hinweisen
„Sie werden in neuen Sprachen reden“, heißt es von denen, die zum Glauben an die Auferstehung gekommen sind. Dabei geht es nicht um die Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse, so nötig diese auch sind im weltweiten Einsatz für Gesundheit.
Nein, in neuen Sprachen reden heißt, prophetisch auf bestehende Missstände hinzuweisen und deren Veränderung einzufordern. Sie haben es in ihrer Mission „Advocacy“ genannt, die Selbstverpflichtung, für andere die Stimme zu erheben, die niemanden haben, der für ihre Recht eintritt.
Ich denke hier an den Appell zu globaler Impfgerechtigkeit angesichts der Coronapandemie. Während der Focus der Aufmerksamkeit sich in Westeuropa auf das Vorhandensein von ausreichenden Mengen des nötigen Impfstoffes konzentrierte, hat medmissio immer wieder daran erinnert, dass diese globale Krise nur dadurch zu bewältigen ist, indem man die ärmeren Länder der Südhalbkugel nicht aus dem Blick verliert, in denen die Pandemie eine furchtbare Spur der Verwüstung hinterlassen hat. Globale Krisen sind nur durch globale Vorsorge und Fürsorge einzudämmen. Das Einfordern globaler Impfgerechtigkeit ist daher eine Aufgabe, die weit über die Coronakrise hinaus aktuell bleibt.
Ich denke aber auch an die mahnende Erinnerung daran, dass Gesundheit ein Menschenrecht ist. Angesichts der Flüchtlingskrise und der unzureichenden medizinischen Versorgung von Geflüchteten in den Gemeinschaftsunterkünften in Unterfranken und Bayern haben Sie, lieber Herr Prof. Stich, immer wieder neu an die Verantwortung der Landesregierung appelliert, Menschen zu ihrem Menschenrecht auf Gesundheit zu verhelfen. Wer mit neuen Sprachen redet, darf auch Klartext reden.
Das Ergebnis dieser Intervention kann sich sehen lassen und hat geradezu Modellcharakter gewonnen. Im Auftrag der Regierung von Unterfranken übernehmen Ärzte, Ärztinnen und Pflegekräfte die medizinische Versorgung der Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften. Ohne Terminvereinbarung, Behandlungsschein und bürokratische Hürden können Geflüchtete in die Sprechstunden kommen.
Mission ist eben immer auch Innere Mission. Denn nur wenn im eigenen Land das Bewusstsein für die globale Verantwortung gestärkt wird, lässt sich die weltweite Mission für Gesundheit nachhaltig verfolgen.
Ohne Berührungsängste Abhilfe schaffen durch Forschung
„Wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden“, heißt es im Evangelium von denen, die im Glauben an den Sieg des Lebens über den Tod in die Welt hinausziehen. Keine Angst vor tödlichem Gift heißt für Ihre Mission den Auftrag zu intensiver Forschung. Nur wer keine Berührungsängste hat, kann sich den Herausforderungen stellen, die von todbringenden Krankheiten ausgehen. Dass Sie keine Angst vor dem tödlichen Gift haben, haben Sie durch Ihre beherzten Einsätze in den Regionen gezeigt, in denen der Ebola Virus viele Menschenleben kostet.
Eine Ihrer vordringlichsten Forschungsaufgaben sehen Sie in der Bekämpfung der tropischen Wurmerkrankungen Schistosomiasis und Chagas. Besonders betroffen ist dabei in Tansania die Region um Mwanza am Viktoriasee. Da es sich um Armutskrankheiten handelt, geht es darum, wirksame Medikamente zu entwickeln. Aber mindestens genauso wichtig ist es, den Menschen in der Region sauberes und gesundes Wasser zur Verfügung zu stellen und umfassende Aufklärungsarbeit zu leisten, die die Anwohner des Sees vor den drohenden Gefahren warnt.
Die Partnerschaft der Stadt Würzburg mit Mwanza in Tansania und die Zusammenarbeit mit dem DAHW, der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe in Würzburg, sind hier ein unverzichtbarer Hilfebaustein. Sie zeigen überdies die erfolgreiche Netzwerkarbeit, die medmissio ein wichtiges Anliegen ist. Denn nur in der Bündelung der Kompetenzen und dem gemeinsamen Bemühen um Finanzierung der Forschungs- und Hilfsprojekte ist ein nachhaltiger Erfolg des weltweiten Einsatzes zur Förderung der Gesundheit zu gewährleisten.
Kranken die Hände auflegen heilen durch Hilfe zur Selbsthilfe
„Und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden“. Das ist die Verheißung an die Jünger, die der Herr aussendet, um Leid und Tod einzudämmen. Den Kranken die Hände aufzulegen, ist jedoch die Aufgabe der medizinischen Hilfskräfte jeweils vor Ort. Deshalb lautet ihre Mission: „Wir bilden aus“. Hilfe zur Selbsthilfe ist angesagt.
Es geht darum, die örtlichen Fachkräfte in die Lage zu versetzen, selbst den Kampf gegen Krankheit und soziale und gesellschaftliche Notlagen aufzunehmen. Dem dienen Kurse in Krankenhaushygiene, Labordiagnostik, Infektionskontrolle oder zur Versorgung von Frühgeborenen, sei es per Internet oder hier vor Ort.
Dazu hilft aber auch die Mitarbeit an innovativen Hilfeportalen wie beispielsweise der MEDBOX, durch die Gesundheitsorganisationen und Mitarbeiter im Gesundheitssektor bei Nothilfe in Echtzeit den Zugang zu medizinischer Fachliteratur erhalten. Gespeist wird dieses Engagement von der Hoffnung, sich selbst überflüssig zu machen oder umgekehrt von den Erfahrungen der Mediziner vor Ort lernen zu können, die mittlerweile ihr Handwerk beherrschen dank tatkräftiger Hilfe aus Deutschland.
Die Mission hat auch nach 100 Jahren nichts von ihrer Dringlichkeit verloren
„Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ.“
Mit diesen Worten endet das österliche Evangelium. Noch immer ziehen Sie aus, unverdrossen, auch wenn sich so manche Hoffnung nicht erfüllt hat wie beispielsweise der Traum von medmissio, für die katholischen Hilfswerke erster Ansprechpartner zu sein und damit das eigene Tun auf ein breiteres Fundament stellen zu können.
Dennoch, wer eine Mission hat, lässt sich auch durch widrige Umstände nicht entmutigen. Mich hat berührt, was der erste Gründungsdirektor und Salvatorianerpater Christoph Becker im Jahre 1928 festhielt im Rückblick auf sechs Jahre Gründung des Missionsärztlichen Institutes, in einer Zeit voller Enttäuschung, im Gefühl der Niederlage und auch in einer Zeit knapper Mittel. Becker schrieb:
„Kaufmännische Sicherungen und juristische Schutzformen umgaben seine Wiege (sc. des Missionsärztlichen Institutes) nicht. Die harte Not der Zeit schien ihr waghalsiges Kind schon bald verschlingen zu wollen. Trotzdem entwickelte es sich, gedieh auch unter schmaler Kost und rauhen Stürmen und blickt nun frohgemut in die Zukunft hinein.“
Auch unter rauen Stürmen und bei schmaler Kost frohgemut in die Zukunft zu blicken, das kennzeichnet den echten Missionar. Wer die Briefe des Heiligen Franz-Xaver gelesen hat, weiß, wovon ich spreche. Denn der unverbrüchliche Glaube daran, dass ein Leben in Gesundheit für alle möglich ist, hat bis heute nichts von seiner Faszination und Strahlkraft eingebüßt. Er gründet in der Zusage des Auferstandenen Herrn, den Kampf gegen Leid und Tod mit seiner bleibenden Gegenwart zu unterstützen.
Von Herzen danke ich Ihnen heute, lieber Herr Prof. Stich, für Ihr ungebrochenes Engagement für medmissio, für Ihren Idealismus und für Ihre Leidenschaft für die Gesundheit aller Menschen weltweit. Ich danke Ihnen aber auch ganz persönlich für die unbürokratische Hilfe und Beratung bei meinen Auslandsreisen wie auch jetzt wieder nach Brasilien. Nicht zuletzt danke ich Ihnen für viele wertvolle Gespräche, die mir den Horizont geöffnet haben für medizinischen Fragestellungen, von denen sich am Ende meist herausstellte, dass die medizinische Seite nur eine Facette ist unter vielen anderen, weil Gesundheit eben immer mehr ist als nur körperliches Wohlbefinden.
Mein Dank geht natürlich auch an Ihr gesamtes Team, das Sie seit Jahren erfolgreich unterstützt, um medmissio als bundesweit einzige katholische Fachstelle für internationale Gesundheit weiter zu profilieren. So gratuliere ich Ihnen und dem gesamten Institut herzlich zum 100. Geburtstag und wünsche Ihnen weiterhin fruchtbares Wirken. Als Bischof von Würzburg freue ich mich, dass Sie hier in unserer Stadt ansässig sind und uns alle daran erinnern, wie viel noch zu tun bleibt, um die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass gutes Leben für alle möglich wird.
Es handelt sich um eine wahrhaft adventliche Mission, die dem Herrn den Weg bereiten möchte hin zu jedem Menschen in Not! In diesem Sinne rufe ich Ihnen heute zu: „Ad multos annos!“ Auf noch viele gute Jahre im Dienst der Gesundheit. Amen.