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Dokumentation

„Glaube ist nie unpolitisch“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung anlässlich des Dankgottesdienstes für die Wahl von Papst Leo XIV. im Dom zu Würzburg am 11. Mai 2025

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

unser neugewählter Heiliger Vater hat den Namen Leo gewählt. Ein neuer Name ist immer auch ein Programm. Zugleich reiht er sich mit diesem Namen in eine große Tradition seiner Vorgänger ein, von denen 13 bisher den Namen Leo gewählt hatten.

An drei seiner berühmten Vorgänger mit dem Namen Leo möchte ich heute im Dankgottesdienst zur Papstwahl erinnern. Diese drei Vorgänger helfen uns auch zu verstehen, welche Aufgaben mit dem Papstamt verbunden sind.

Papst Leo der Große (440-461)

Beginnen möchte ich bei meiner Betrachtung mit dem ersten Papst namens Leo, mit Leo dem Großen, der im fünften Jahrhundert die Kirche leitete. Der Beiname „der Große“ zeigt, dass er der Nachwelt in guter Erinnerung geblieben ist. Leo, ein Römer aus vornehmem Geschlecht, war ein selbstbewusster Papst, der den Anspruch des Vorrangs des Stuhles Petri vor allen anderen Bischofssitzen verteidigte.

Neben der Errettung Roms vor den Hunnen ist er in Erinnerung geblieben durch seine Intervention beim Konzil von Chalzedon. Im Streit um die Frage nach dem Verhältnis von Gottesnatur und Menschennatur in Jesus Christus trug er wesentlich zur theologischen Klärung bei. Er sagte, Jesus Christus ist ganz Mensch und ganz Gott und zwar „ungemischt und ungetrennt“. Er ist nicht irgendein Halbgott oder ein Übermensch oder ein Mischwesen. Nur weil er ganz Gott und ganz Mensch zugleich ist, „ungemischt und ungetrennt“, können wir von Erlösung sprechen. Denn unsere Menschennatur wird in Jesus Christus ganz zu Gott erhoben und unsere Sterblichkeit wird dadurch geheilt. Das Konzil jubelte über diese geniale theologische Formulierung des Leo und rief der Überlieferung nach: „Durch Leo hat Petrus gesprochen.“

Der Glaube der Kirche sagt, dass der Papst kraft des Heiligen Geistes und in der Einheit mit der gesamten Kirche die Wahrheit des Glaubens auszudrücken vermag, eine Wahrheit, die das Heil verbürgt. Nicht umsonst heißt es im heutigen Evangelium „meine Schafe hören auf meine Stimme“.

Petrus spricht durch Papst Leo XIV. auch heute zu uns. So wünschen wir dem Heiligen Vater, dass er auch in unseren Tagen zum Sprachrohr des wahren Glaubens werde. Dass seine Stimme die Schafe erreicht und ihren Hunger nach dem ewigen Leben stillt.

Papst Leo X. (1513-1521)

Von Leo I. im fünften Jahrhundert machen wir einen Sprung von 1000 Jahren zu Papst Leo X. Er war ein typischer Machtmensch der Renaissance, der sich als Papst mit einem Augustinermönch namens Martin Luther herumärgern musste. Es gehört zur Tragik seiner Zeit, dass Papst Leo X. die Sprengkraft der reformatorischen Bewegung im fernen Deutschland verkannte. Er meinte, mit dem altbewährten Mittel des Kirchenbanns den Brandherd eindämmen zu können. Zu spät erkannte er, dass er dadurch aus einem Feuer einen regelrechten Flächenbrand entfacht hatte, der nicht mehr gelöscht werden konnte. Aus dem berechtigten Ruf nach Reformen war die Reformation geworden und damit die Kirchenspaltung, unter der wir bis heute leiden.

Hatte Leo X. sich mit einem Augustinermönch auseinanderzusetzen, so ist der heutige Papst selbst Augustinermönch. Wir wünschen ihm, dass er die berechtigten Reformanliegen unserer Tage nicht einfach ignoriert oder mit Gewalt zu bekämpfen versucht, sondern dass er hinhört und selbst Impulse zur Erneuerung der Kirche gibt. Im heutigen Evangelium sagt Jesus über die Schafe „niemand wird sie meiner Hand entreißen".

Möge es dem Heiligen Vater, Papst Leo XIV., gelingen, die Herde zusammenzuhalten, mehr noch, die Einheit unter den Christen weiter zu befördern, so dass keiner verloren geht.

Papst Leo XIII. (1878-1903)

Machen wir noch einmal einen Zeitsprung von knapp 350 Jahren ins 19. Jahrhundert. Leo XIII. war der bislang letzte Papst dieses Namens gewesen. Er gilt als der erste moderne Papst, der einen wachen Blick hatte für die Nöte der Menschen seiner Zeit. Um die Gläubigen zu erreichen, bediente er sich des neuen Mittels der Enzyklika, des päpstlichen Rundschreibens.

Sein berühmtestes lautet mit den lateinischen Anfangsworten „Rerum Novarum“, zu Deutsch: „Vom Geist der Neuerung“. Gemeint war die Arbeiterfrage und die Verelendung weiter Bevölkerungsschichten durch die Industrialisierung. Indem er dazu aufforderte, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern und den Kapitalismus durch eine staatliche Sozialpolitik einzuhegen, wurde er zum Vater der „Katholischen Soziallehre“.

Wie der neugewählte Heilige Vater selbst bekundet, dachte er bei der Namenswahl bewusst an Leo XIII. In der Nachfolge dieses Papstes und in der Nachfolge von Papst Franziskus, der immer dazu anhielt, die Nöte der Zeit wahrzunehmen und sich für die Menschen am Rande einzusetzen, will auch Leo XIV. den Blick auf die Armen lenken, deren Nöte ihm spätestens seit seiner Zeit als Bischof in Peru lebendig vor Augen stehen.

Wenn Jesus im heutigen Evangelium sagt „ich und der Vater sind eins“, dann unterstreicht er damit, dass die ganze Welt in das Gottesverhältnis Jesu miteingeschlossen ist. Glaube ist damit nie unpolitisch. Das Gegenteil ist der Fall. Weil in Christus die ganze Welt geheiligt ist und geheilt werden soll, darf auch die Kirche die Augen vor den Nöten ihrer Zeit nicht verschließen.

Möge unser Heiliger Vater, Papst Leo XIV., uns in dieser krisengeschüttelten Zeit ermutigen, diese Welt zu verbessern und die Wunden der Menschheit zu heilen.

Der heilige Franziskus und Bruder Leo

Ein letzter Gedanke. Auf Papst Franziskus folgt nun Papst Leo. Der heilige Franziskus von Assisi hatte ein besonders inniges Verhältnis zu Bruder Leo. Nie wich Bruder Leo von seiner Seite. So wurde er auch der Überlieferung nach der einzige Zeuge der Stigmatisierung des heiligen Franziskus. Nach einem Disput über die weitere Zukunft des Ordens schrieb der heilige Franziskus Bruder Leo einen Brief, der bis heute im Dom von Spoleto verwahrt wird. Darin heißt es:

„Auf welche Weise auch immer es dir besser erscheint, Gott, dem Herrn, zu gefallen und seinen Fußspuren und seiner Armut zu folgen, so tu es mit dem Segen Gottes, des Herrn, und mit dem Gehorsam gegen mich.“

Ein wunderbares Wort. Ich wage, es als Wort des verstorbenen Papstes Franziskus, Gott hab ihn selig, an seinen Nachfolger und Bruder Papst Leo XIV. zu lesen:

„Auf welche Weise auch immer es dir besser erscheint, Gott, dem Herrn, zu gefallen und seinen Fußspuren und seiner Armut zu folgen, so tu es mit dem Segen Gottes, des Herrn, und mit dem Gehorsam gegen mich.“

Es ist ein Wort, das den Geist der Freiheit atmet. Ein Wort, das dazu ermutigt, frei zu sein, dem Herrn anders und womöglich besser zu dienen, und ein Wort, das dazu anhält, dem Geist des Franziskus gerade in dieser Freiheit treu zu bleiben.

Beides wünsche ich Papst Leo XIV., wünschen wir ihm alle von Herzen.

Möge der Herr seinen Dienst und seine Kirche und mit ihr die ganze Welt segnen.

Amen