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Dokumentation

Füreinander zur Gabe werden

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung bei der Missa chrismatis am Montag, 3. April 2023, im Würzburger Kiliansdom

Die Bedeutung der Heiligen Öle und das Geheimnis des Geistes

Die Weihe der Heiligen Öle ist immer ein besonderer Moment in der Heiligen Woche. Denn das Zeichen des Öls verweist auf das Wirken des Heiligen Geistes. Durch die Salbung mit dem Öl erhalten wir Anteil am Lebensgeheimnis Jesu Christi.

In Taufe und Firmung werden wir mit Christus zum Priester, König und Propheten gesalbt und haben so an seiner Sendung Anteil. Die Krankensalbung verbindet uns im Leiden mit dem leidenden Herrn und tröstet uns im Blick auf seine Auferstehung. Nicht zuletzt erinnert das Salböl uns Bischöfe und Priester daran, in besonderer Weise Christus, den Gesalbten und einzigen Hohepriester seiner Kirche, in der Liturgie darstellen zu dürfen. So wird das Salböl zum Symbol des Erfüllt-Seins mit dem Heiligen Geist, der uns Christus immer ähnlicher gestalten will. Ohne sein Wirken bleibt alles leer, oberflächlich und wirkungslos.

Das Hohelied der Liebe

Gerade Letzteres hat mich bewogen, am heutigen Tag einen der schönsten Texte des Apostels Paulus mit Ihnen zu betrachten. Denn das Hohelied der Liebe, wie das 13 Kapitel des Ersten Korintherbriefes auch genannt wird, spricht davon, dass alles nichts nützt, wenn es an der Liebe fehlt, die der Geist in uns wirkt. Alles muss mit dem Geist gesalbt sein, damit es christusförmig wird und seine Wirkung entfalten kann. Daher lohnt es, am Tag der Erneuerung unseres Weiheversprechens, die Aussagen dieses Liedes zu bedenken, in dem Paulus uns den Spiegel vorhält.

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.

Paulus beginnt mit der Verkündigung. Das ist wohl kein Zufall. Denn einerseits ist der Völkerapostel ein mitreißender Prediger. Andererseits aber versichert er immer wieder seiner Hörerschaft, er sei nicht gekommen, um glänzende Reden zu halten oder gelehrte Weisheit vorzutragen (1 Kor 2,1.

Auch die Praxis, „in der Sprache der Engel zu reden“, kennt Paulus und meint die Praxis der Zungenrede in Korinth. Aber er distanziert sich von ihr, weil er lieber fünf Worte mit seinem Verstand reden möchte als 10.000 Worte in Zungen stammeln (1 Kor 14,19), um auch anderen zu nützen, statt sich vor ihnen in Szene zu setzen. Erklärtermaßen will er allen alles werden (1 Kor 9,22), aber selbst wenn er in seinem persönlichen Pfingsten in den Sprachen aller Menschen reden könnte, es würde nichts helfen, wenn ihm die Liebe fehlte.

Wo das Salböl des Geistes fehlt, wird die Rede nach Paulus selbstgefälliges und anmaßendes Geschwätz, „dröhnendes Erz und eine lärmende Pauke“. Ohne den Geist erbaut die Verkündigung niemanden, verärgert aber am Ende alle. Schlimmer noch: Wer auch immer predigt, er gefährdet sich selbst, indem er sich über das Wort Gottes erhebt und es entleert.

Es geht also nicht um rhetorisches Können und nicht darum, Wirkung zu erzielen. Die Rede muss mit dem Öl des Heiligen Geistes gesalbt sein. Dann genügt auch ein einfaches Wort, das von Herzen kommt. Es ist mehr wert als alle frommen Worthülsen und theologischen Formeln. Wohlgemerkt: Paulus will keine salbungsvollen Worte, wohl aber Worte, die mit dem Geist gesalbt sind und deshalb auferbauen, trösten und zu Christus hinführen. Es sind Worte, die aus dem Gebet geboren sind, weil wir im Gebet die Salbung mit Gottes Geist erfahren.

Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.

Nach der Verkündigung spricht Paulus von der Erkenntnis und der Glaubenskraft. Erkenntnis allein nützt nichts, sagt derselbe Paulus, der sich rühmt, „einmal im dritten Himmel gewesen zu sein“ und Worte gehört zu haben, die ein Mensch nicht aussprechen darf (2 Kor 12,4), der also mehr weiß als andere.

Aber Paulus hat auch erfahren, dass „Erkenntnis aufgeblasen macht“. (1 Kor 8,1). Denn wer den Anspruch auf höhere Erkenntnis geltend macht, erhebt sich in der Regel über andere. Vermeintliches Mehr- und Besserwissen führt zu liebloser Rechthaberei und Besserwisserei.

Ebenso skeptisch bleibt Paulus gegenüber der Behauptung, im Glauben Berge versetzen zu können. Dass der Glaube tatsächlich Unmögliches zu vollbringen vermag, hatte Paulus an sich selbst erfahren. Aber ein Glaube, der mit dem Anspruch auftritt, Berge zu versetzen, wird dem Apostel unheimlich, weil er sich als Machtdemonstration gebärdet. Ein solch auftrumpfender und triumphalistischer Glaube ist die Sache des Paulus nicht. Denn er weiß, dass damit eine Stärke vorgespiegelt wird, die von der zuvorkommenden Gnade des Herrn nichts wissen will.

„Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,10), hält Paulus dem entgegen. Das Eingeständnis eigener Schwäche ist das eigentlich Umwälzende des Glaubens. Hier erfährt der Apostel die Salbung mit dem Geist. Denn der Geist schenkt Kraft gerade in der Schwachheit und erweist so die eigentliche Macht des Glaubens. Aus der Erfahrung eigener Schwäche erwächst dann auch die Liebe und das Mitleid mit den Schwachen, eine der schönsten Früchte der Salbung mit dem Öl des Geistes.

Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.

„Priesterleben, Opferleben“ heißt es in einem geflügelten Wort. Dahinter steht das anspruchsvolle Bild des Seelsorgers, der alles aufgibt, um Christus ganz zu dienen. Die Hingabe an den Herrn findet bei uns Priestern und auch bei nicht wenigen unserer Diakone ihren Ausdruck in der zölibatären Lebensweise. Sie unterstreicht die Ungeteiltheit der Liebe des Geweihten. Aus dieser Bindung an den Herrn erwächst die Freiheit, seine ganze Zeit und Arbeitskraft Christus und den Gliedern des Leibes Christi in der Kirche zur Verfügung zu stellen.

Im Philipperbrief bezeugt Paulus, dem Herrn genauso dienen zu wollen:

„Ich halte dafür, dass alles Verlust ist, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles überragt. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm erfunden zu werden.“ (Phil 3,8)

In seiner Narrenrede zählt er dann auf, was er an Opfern für diesen Herrn erbracht hat durch Schläge, Schiffbrüche, Gefängnisaufenthalte, in durchwachten Nächten, angesichts der Gefährdungen durch das Volk, durch Räuber, Ungläubige und falsche Brüder. (2 Kor 11,23-30)

Aber für ihn ist das kein Grund, sich zu rühmen. Er rühmt sich allein des Herrn. Das ist das Wunder der Salbung mit dem Geist. Denn in seinem Lebensopfer weiß er sich mit Christus und mit den Leiden Christi eins. Nur so gewinnen seine Beschwernisse in der Nachfolge ihren Wert als Ausdruck seiner persönlichen Christusverbundenheit.

Daher bekräftigt Paulus: Wenn die Bereitschaft, sich dem Herrn ganz zu verbinden, nicht aus dem Geist kommt, nicht mit dem Öl der Freude gesalbt ist, dann nützt sie nichts. Dann wird diese Lebensweise zu einem beschwerlichen Gesetz, dem man sich unterwirft, ohne mit dem Herzen dabei zu sein. Dann droht die Gefahr, sich nur noch zu verausgaben. Verausgaben führt auf Dauer aber in den Burnout und wird lieblos – gegen sich selbst, gegen den Nächsten und gegen den Herrn.

Statt sich zu verausgaben sollen wir aber füreinander zur Gabe werden. Aus dem Wissen, dass der Herr sich für mich gegeben hat, darf ich ihm aus Dankbarkeit etwas zurückgeben, mich ganz ihm schenken. Das ist dann kein fremdes Gesetz mehr, sondern ein freudiges Opfer, auch wenn ich weiß, dass ich die Dankesschuld nie abtragen kann. Gott liebt einen freudigen Geber (2Kor 9,7) und keinen, der ihm verkrampft und verbittert dient. Das geht aber nur, wenn unser Dienen gesalbt ist mit dem Heiligen Geist, der uns in Christus zu einem lebendigen Opfer macht.

Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.

Paulus beschließt seine große Meditation über die Liebe mit dem Hinweis auf die drei theologischen Tugenden. Sie stehen heute für die drei Öle, die wir gleich weihen.

Der Glaube steht für den Chrisam. Denn die Salbung mit dem heiligen Chrisam hilft uns, Christus als unseren Herrn und Erlöser immer tiefer und besser zu erkennen und so im Glauben zu wachsen.

Die Hoffnung steht für das Katechumenenöl. Denn die Salbung mit dem Katechumenenöl fördert den Weg des Christwerdens und erinnert uns daran, noch nicht fertig zu sein, sondern immer noch wachsen zu müssen, aber auch wachsen zu dürfen in der Nachfolge.

Die Liebe steht schließlich für das Krankenöl. Die Salbung mit dem Krankenöl erinnert uns in den Krisensituationen unseres Lebens immer wieder daran, dass es eine Liebe gibt, die den Tod überwindet und von der uns die Mächte dieser Welt nicht trennen können.

Die Heiligen Öle sind unverzichtbar für unseren Dienst als Bischöfe, Priester und Diakone. Möge die Kraft der heiligen Salbung uns immer wieder neu an unsere Würde erinnern. Möge sie uns immer wieder aufrichten in aller Not. Möge sie uns helfen, die Liebe in all unser Tun hineinzulegen, in unsere Verkündigung und in unser Lebenszeugnis.

Von Herzen danke ich Ihnen allen heute für Ihre hochherzige Bereitschaft, Ihr Weiheversprechen zu erneuern. Ich danke Ihnen für Ihren Dienst in diesen Zeiten des Umbruchs, die uns viel abverlangen an Ausdauer, an Treue, an Konfliktbereitschaft und an Liebe. Der Herr nehme unseren Dienst gnädig an. Im Zeichen des heiligen Salböls ergänze er, was uns fehlt, und vollende er, was er an Gutem in uns begonnen hat.

Danke!