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Dokumentation

„Die Kirche gleicht einem Bienenkorb“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung in der Osternacht am Samstag, 20. April 2019, im Würzburger Kiliansdom

Rettet die Bienen“ – unter diesem Aufruf startete das bisher erfolgreichste Volksbegehren in der bayerischen Geschichte mit einer Beteiligung von über 18 Prozent aller Wahlbeteiligten. Auch wenn es bei diesem Volksbegehren insgesamt darum geht, die Artenvielfalt zu sichern und den Bestand an Insekten insbesondere, so mobilisierte der Verweis auf die Bienen und ihr Schicksal sicher viele Menschen. Denn die Biene ist positiv besetzt.

Die Biene wurde durch alle Liturgiereformen hindurch im Osterlob gerettet

Rettet die Bienen – das gilt auch heute in der Osternacht. Sie beginnt mit dem Exsultet, dem großen Lobgesang auf die Osterkerze. Wer genau zugehört hat, dem ist sicher der Hinweis auf die Bienen aufgefallen am Ende des Lobgesangs. Dort hieß es

In dieser gesegneten Nacht, heiliger Vater,

nimm an das Abendopfer unseres Lobes,

nimm diese Kerze entgegen als unsere festliche Gabe!

Aus dem köstlichen Wachs der Bienen bereitet,

wird sie dir dargebracht von deiner heiligen Kirche

durch die Hand ihrer Diener …

Denn die Flamme wird genährt vom schmelzenden Wachs,

das der Fleiß der Bienen für diese Kerze bereitet hat.

Das Lob auf die Bienen hat glücklicherweise alle Liturgiereformen überstanden – auch wenn es in der Kurzfassung schon mal gestrichen wurde. Die Bienen gerettet! Und so konnten die Bienen durch alle Jahrhunderte ihren Platz im wichtigsten Gottesdienst der Kirche behaupten.

Ostern und die Erneuerung der ganzen Schöpfung

Wie es beim Volksbegehren um die Bewahrung der Schöpfung geht, so geht es an Ostern um die Erneuerung der Schöpfung. Denn durch den Tod und die Auferstehung Jesu wird die gesamte Schöpfung erneuert. Christus ist der neue Adam, der Erstgeborene der Toten. Sein Licht erhellt wie am ersten Schöpfungstag die Finsternis des Todes. Und hier kommt die Biene ins Spiel. Denn sie war über Jahrhunderte hinweg der einzige Lieferant des kostbaren Wachses für die Osterkerze, durch die symbolisch das Licht Christi in der Dunkelheit sichtbar gemacht werden konnte. Aber die Biene war nicht nur interessant als Wachslieferant, sondern sie gilt als wahrhaft österliches Tier.

In der Reihe der Tiere: Die Biene und Ostern

So soll nach dem Esel am Palmsonntag, dem Lamm am Gründonnerstag und dem Hahn am Karfreitag heute Nacht unsere Aufmerksamkeit der Biene gelten und die Reihe über die Tiere abschließen. Die schier unerschöpfliche Bedeutung dieses kleinen Tierchens in der Theologie der Kirchenväter kann heute Nacht nicht entfaltet werden. In wenigen Punkten möchte ich ausführen, was die Bienen uns darüber zu sagen haben, was es heißt als österliche Menschen zu leben und Kirche zu sein.

Der unermüdliche Fleiß der Bienen und die Wahrnehmung der ganzen Lebenswirklichkeit kraft der Auferstehung

Schon immer ist dem Menschen der sprichwörtliche Bienenfleiß aufgefallen. Kaum kommen die ersten warmen Strahlen des Frühlings, schwärmen die Bienen aus. Sie suchen zielsicher die Blüten auf und krabbeln in den Blütenkelch hinein. Der österliche Mensch ist der unermüdliche Mensch. Kraft der Auferstehung lässt er sich nicht entmutigen oder niederdrücken. Wie die Bienen fleißig alle Blüten anfliegen, so müht sich der österliche Mensch auch, die Wirklichkeit ganz wahrzunehmen – eine der größten Herausforderungen im Leben.

Er müht sich darum, nicht nur die schönen Momente und Seiten des Lebens zu sehen und allem anderen wie so oft auszuweichen und einen großen Bogen um das Unerlöste zu machen, was uns so schwer zu schaffen macht und was wir gerne wegschieben wollen. Sondern es geht darum, auch und gerade die Momente des Misslingens und des Scheiterns, der Krisen, der Krankheit und des Todes in den Blick zu nehmen.

Das bedarf des Mutes und der Kraft und öfters auch der Begleitung durch Dritte und es braucht Zeit. Das gilt für die Kirche selbst, jetzt in der Missbrauchskrise, über die man nicht einfach hinweggehen kann, wie für jede Organisation, Partei und Gemeinschaft und für jedes persönlichen Leben. Die Bienen machen es uns vor: Sie fliegen jeden Blütenkelch an, den süßen genauso wie den bitteren, um im Bild zu bleiben.

Die wunderbare Gabe der Bienen, aus allem kostbaren Honig verwandeln zu können

Neben dem Fleiß hat die Menschen immer die Wandlungsgabe der Bienen bewundert. Aus dem Nektar der unterschiedlichsten Blumen und Pflanzen wissen sie den süßen Honig zu produzieren, der deren Geschmack annimmt. Ebenso versteht der österliche Mensch, aus allem im Leben Gewinn zu ziehen und es genießbar zu machen, um im Bild zu bleiben: den potentiellen Honig in allem zu sehen.

Die Wandlungsgabe hat zur Voraussetzung, das Widerständige im Leben überhaupt erst einmal zuzulassen. Wenn man es zulässt, es auch anzunehmen als Teil der eigenen Lebenswirklichkeit. Und erst dann, wenn es wirklich angenommen ist und man es akzeptieren kann, erst dann kann man es nochmal unter neuer Rücksicht anschauen. Nicht nur als Zumutung, als persönliches Versagen oder als fremdes Verschulden, als Schicksalsschlag, als Verlust. Sondern einfach als das, was es ist: ein Teil meines Lebens, der ganz zu mir gehört und den mir niemand abnimmt, aber für den ich allein gefordert bin, einen konstruktiven Umgang zu entwickeln.

Leitend ist dabei nicht die Frage nach dem Warum, die uns oft keiner beantworten kann, sondern die Frage nach dem Wozu: Was kann daraus werden und was könnte ich daraus lernen und wie könnte ich gestärkt aus einer bitteren Lebenserfahrung hervorgehen? Phantasie und Gelassenheit und vor allem Gebet sind gefragt. Denn im Letzten ist es immer ein Gnadengeschenk, wenn Leben neu gewandelt wird und der Tod seine Macht verliert. Alles zählt dazu:

  • Scheitern in der Beziehung als Anlass, über die eigene Persönlichkeit nachzudenken,

  • eine Krankheit, die mir bewusst macht, wie ich meinen Lebensstil überdenken muss,

  • eine Behinderung, die mir hilft, meine eigene Bedürftigkeit anzunehmen und barmherzig mit anderen zu sein, die das noch nicht erkannt haben

  • ein Fehlschlag, der mich herausfordert und mich lehrt, die Akzente richtig zu setzen

Gott ist ein Gott des Lebens. Und seit der Auferstehung ist in allem das neue Leben verborgen. Dieses gilt es zu heben.

Der absichtslose Besuch der Biene, der neue Fruchtbarkeit bewirkt, ohne zu Schaden zuzufügen

Ein Nebenprodukt des Wirkens der Bienen ist die Bestäubung von Pflanzen, die neue Fruchtbarkeit ermöglicht. Ohne den Pflanzen in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen, ermöglichen die Bienen neues Wachstum, einfach so nebenbei, allein durch ihre Präsenz.

Ein schöner Zug auch für den österlichen Menschen. Wohin auch immer er kommt, hinterlässt er neue Fruchtbarkeit und zieht nicht eine Spur der Verwüstung durchs Leben wie andere. Unaufgeregt und absichtslos trägt er dazu bei, dass Neues wachsen und gedeihen kann.

  • Das geschieht durch die Vermittlung des Gefühls der Hoffnung, die anderen Mut schenkt, ihr Leben anzupacken und eine positive Sicht der Welt einzunehmen.

  • Das geschieht durch das Bemühen, alle hinderliche Emotion herauszunehmen und die Dinge einfach mal so anzuschauen, wie sie sind.

  • Das geschieht durch einen konsequenten Blick auf die Ressourcen, auf das, was möglich ist, und nicht auf das, was nicht geht und was uns blockiert.

  • Das geschieht durch das ausdrückliche Glaubenszeugnis, indem wir anderen erzählen, was uns Kraft gibt und wie der auferstandene Herr uns Hilfe und Kraft war in schweren Stunden.

Die wehrhafte Biene fürchtet sich nicht, den Stachel einzusetzen, auch wenn sie dabei stirbt

Schließlich: Die Biene ist mit ihrem Stachel ein wehrhaftes Tier. Aber sie weiß auch, dass sie stirbt, wenn sie sich zum Kämpfen entschließt. Denn ihren Stachel kann sie nur einmal verwenden und muss das mit dem Tod bezahlen. Ähnlich ist es bei den Christen. Sie sollen auch wehrhaft sein und sich einsetzen für das Reich Gottes. Aber sie müssen auch wissen, dass jeder, der es ernst meint mit dem Reich Gottes, sich selbst in Gefahr begibt, das eigene Leben dabei aufs Spiel zu setzen, so wie es Jesus getan hat.

Voller Einsatz und volle Hingabe sind nur möglich, weil Christus es uns vorgelebt hat und gerade im Tod dem neuen Leben die Bahn gebrochen hat. Das ist der Preis, der nur von Menschen gezahlt werden kann, die an die Auferstehung glauben und eine größere Hoffnung haben für andere, ja die ganze Welt. Von Menschen, die wissen, dass Jesus an Ostern dem Tod „den Stachel gezogen hat“, wie Paulus im ersten Korintherbrief schreibt (1Kor 15,55), und die deshalb die „Mächte der Unterwelt“ nicht mehr fürchten.

Die Kirche als Bienenkorb mit dem Schatz der Eucharistie

Die Kirche, so sagen die Väter, gleicht einem Bienenkorb. Denn der Bienenkorb sieht aus zunächst abweisend aus wie eine Burg, die nur einen kleinen Zugang hat in dem Schlitz. In ihr gibt es eine klare Ordnung mit der Königin. Und diese kleine Festung birgt in ihrem Inneren einen kostbaren Schatz: den köstlichen Honig.

So ist es auch mit der Kirche. Sie wirkt nach außen oftmals abweisend. In ihr gibt es eine klare Ordnung: Erster ist Christus als der Erstgeborene von den Toten, wie Paulus sagt (1Kor 15,23). Und in ihrem Inneren birgt die Kirche einen kostbaren Schatz: Es ist die Gabe der Eucharistie. Diese ist süßer als Honig. In dieser heiligen Speise haben wir schon Anteil an der Auferstehung, weil Gott seinen Segen über alles Gebrochene spricht, um es zu heilen.

Wie die Bienen sind die Christen gesandt, sich nicht einzuigeln in ihrem Bienenkorb, sondern täglich neu und unverdrossen herauszufliegen in die Welt. Das Bittere sollen sie konsequent einsammeln und mit Hilfe der Eucharistie in neues Leben und neue Hoffnung wandeln. Als Bienenkorb wird die Kirche dann zum Sakrament des Heils für die Welt. Zur Gemeinschaft, die aus der Kraft der Auferstehung lebt und dieses Leben auch weiterschenkt.

Wir sind Bienen des Unsichtbaren“ – Rettet also die geistlichen Bienen in uns!

Der Dichter Rainer Maria Rilke schreibt einmal: „Wir sind Bienen des Unsichtbaren“ (Brief vom 13.11.1925 an Witold Hulewicz). Eine schöne Wortprägung. Einsammeln und verwandeln – das ist nicht nur die Aufgabe des Dichters, der sich abmüht, die Wirklichkeit mit allen Sinnen aufzunehmen und in einem Gedicht zu verdichten. „Bienen des Unsichtbaren“ sind auch wir, indem wir im Sichtbaren schon jetzt das unsichtbare neue Leben erahnen.

Rettet die Bienen? Ja, retten wir also diese geistlichen Bienen, die wir seit Ostern selbst sind! Amen. Halleluja!