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Dokumentation

„Die Bistumspatrone waren suchende Menschen“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung beim Pontifikalgottesdienst zum Auftakt der Kiliani-Wallfahrtswoche am Sonntag, 2. Juli 2023, im Würzburger Kiliansdom

Sucht aber zuerst Gottes Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben!“

Unser Jahresmotto ist dem Abschnitt der Bergpredigt entnommen, in dem Jesus von der falschen und der rechten Sorge handelt. Wir haben dieses Wort gewählt, weil wir im Bistum einen Strategieprozess begonnen haben, um uns zu vergewissern, was unser Auftrag in den kommenden Jahren ist. Inwiefern uns dieses Wort Jesu dabei Orientierung bieten kann, möchte ich heute am Kiliani-Sonntag mit Ihnen bedenken.

Sucht!“ - Die Suche nach Gottes Reich als Aufgabe, die Zeit benötigt

Der Auftrag „Sucht!“ scheint mir dabei als erstes bedeutsam zu sein. Warum? Weil Suchen Zeit benötigt. Wer etwas sucht, muss seine alltäglichen Beschäftigungen für einen Moment unterbrechen und sich Zeit nehmen für die Suche. Allerdings höre ich bei meinen Besuchen in den Pastoralen Räumen immer wieder die Klage, durch das Tagesgeschäft völlig in Beschlag genommen zu sein. Die Überfülle der Aufgaben, die auf immer weniger Schultern ruhen, lassen kaum Zeit zum Innehalten und Nachfragen.

Wer aber wirklich suchen möchte, muss sich Zeit nehmen, sei es für seine persönliche Suche der Glaubensvertiefung, sei es als Team in den Geistlichen Teamtagen. Die Unterbrechung zur Suche ist kein Luxus, sondern die Voraussetzung dafür, sich neu auszurichten an dem Auftrag Jesu, das Reich Gottes zu suchen.

Unsere Bistumspatrone Kilian, Kolonat und Totnan waren suchende Menschen. Sie gingen nicht auf im alltäglichen Trott, sondern fragten sich, wohin Gott sie sendet.

Lebensverlängernde Maßnahmen?

„Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern?“ So fragt Jesus und wir ahnen, dass es sich um eine rhetorische Frage handelt. „Natürlich niemand!“, lautet die Antwort, die wir uns selber geben können.

In Wirklichkeit aber beobachte ich, dass es uns vielerorts um lebensverlängernde Maßnahmen geht. Was geht noch? Wie lange halten wir das noch durch? Wie viele Engagierte finden sich noch? Natürlich muss man das, was an volkskirchlichem Leben noch funktioniert, nicht ohne Not zerstören. Aber jeder ahnt, dass das „noch“ auf Dauer keine Lösung ist, sondern dem „nicht mehr“ weicht.

Bei meinen Besuchen in den Pastoralen Räumen werde ich öfters gefragt: „Herr Bischof, was müssen wir, was müssen Sie tun, dass es wieder so wird wie früher?“ Wenn ich dann sage, dass ich davon ausgehe, dass es niemals mehr so wird wie es früher war, ist die Enttäuschung groß. Die traurige Stille signalisiert mir aber, dass man es insgeheim schon wusste. Nur hat man es jetzt noch einmal von amtlicher Seite gehört. Das macht es nicht besser. Aber ich meine, wahrnehmen zu können, dass uns diese Gespräche trotzdem ins Nachdenken darüber bringen, was jetzt dran ist, wenn es wirklich nicht mehr so wird wie früher.

Unsre Frankenapostel sind uns auch hier Vorbild. Denn sie haben nicht alte Rezepte weitergeschrieben, nicht nach der Wiederbelebung des Alten gesucht, sondern haben einen wirklichen Schnitt gemacht, um noch einmal ganz neu anzusetzen.

Was am Ende nur noch für uns reicht, reicht auch für uns nicht mehr!

Damit hängt auch ein weiteres unmittelbar zusammen. Jesus mahnt nämlich: „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen oder trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt!“ Ich fürchte jedoch, dass uns die Welt momentan genauso sieht, als eine Organisation, die sich nur um den Selbsterhalt kümmert und deshalb gar keine Zeit erübrigen kann, um nach Neuem Ausschau zu halten.

Auch wenn wir vor neuen Einsparungen stehen, macht Jesus doch eines klar: Was am Ende nur noch für uns reicht, reicht auch für uns nicht mehr. Denn was wir nicht vermehren, wird weniger werden. Jesus mahnt aber dazu, nicht nur das Überleben zu sichern, nicht nur unsere kleinen Reiche zu verteidigen, sondern das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen.

Wäre die Sorge um Nahrung und Kleidung das vordringlichste Anliegen von Kilian und seine Gefährten gewesen, sie hätten in der Unsicherheit ihrer Zeit wohl keinen Schritt über die Landesgrenzen gewagt.

Innerhalb der Kirche das Reich zu verwirklichen suchen

Die Krisen der Kirche in Deutschland haben uns in den vergangenen Jahren zu der Erkenntnis geführt, dass das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit nicht einfach identisch ist mit der Institution Kirche selbst. Die erschreckende Empathielosigkeit gegenüber den Opfern der eigenen Organisation, die Intransparenz im Umgang mit Macht, fehlende Aufsichtsinstanzen, die unzureichende Beteiligung der Gläubigen an wichtigen Entscheidungsfindungen und die Frage nach der Rolle der Frau haben die Notwendigkeit von Reformen deutlich werden lassen. Auch im Bistum Würzburg unterlaufen uns immer wieder Fehler in der Kommunikation, die das Vertrauen in die Bistumsleitung erschüttern und zur Verunsicherung führen.

Eine Kirche aber, die glaubwürdig das Reich Gottes verkünden will, muss lernen, selbst auf die Suche nach der Gottesherrschaft zu gehen und nach deren größeren Gerechtigkeit. In diesem Sinne mühen wir uns um Transparenz in finanziellen Angelegenheiten, um die Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs und um eine größere Beteiligung der Gläubigen durch das Format des Diözesanforums, wie wir es jüngst praktiziert haben. Die Frage, wie die Beschlüsse des Synodalen Wegs gut umgesetzt werden können, auch in Rückbindung mit Rom, wird uns die kommenden Monate beschäftigen.

Auch Kilian und seine Gefährten wussten, dass sie ihr irisches Kirchenmodell nicht eins zu eins nach Deutschland verpflanzen konnten. Um Sicherheit zu erlangen über ihre eigene Mission, suchten sie die Rückversicherung in Rom. Sie ließen sich vom Papst senden in der Zuversicht, bei ihrer Suche das zu finden, was mehr dient, den Glauben zu vermitteln. Möge in diesem Sinne die Suche nach der Erneuerung der Kirche, wie sie jetzt vom Papst mit der Weltsynode zur Synodalität angestoßen wurde, auch uns helfen, den rechten Weg zu finden zu einer Erneuerung der Kirche von Würzburg. Die Verkündigung des Reiches Gottes wird dann glaubhaft, wenn wir als Kirche selbst vorleben, was wir anderen vermitteln wollen.

Das Reich Gottes suchen in der Welt

Wenn Kirche Sakrament des Heils sein will für die Welt, dann ist es ihre Aufgabe, nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit auch in der Welt zu suchen. Das heißt dann im Sinne Jesu, sich als Anwalt für die einzusetzen, die keine Stimme haben und denen offenkundig Unrecht geschieht. Dazu zählt der Einsatz für Menschen auf der Flucht, ein Problem, das immer größer wird durch die Klimaveränderungen und die Kriege, die globale Auswirkungen haben. Mein Dank gilt allen, die in unseren Gemeinden und Ordensgemeinschaften hier tätig und mutig Abhilfe leisten. Dazu zählt der Einsatz für das ungeborene Leben in der Diskussion um die Abschaffung des Paragraphen 218, die wir nicht gutheißen können. Regelungen zum assistierten Suizid, die dazu führen können, dass alte und kranke Menschen den Druck verspüren, ihrem Leben ein Ende setzen zu müssen, können wir nicht unterstützen. Eine Legalisierung von Cannabis, dessen Einnahme zu schweren und schwersten psychischen Schädigungen führt, halte ich für nicht zielführend. Nicht zuletzt geht es darum, die Maßnahmen zum Klimaschutz sozialverträglich zu gestalten, um deren Akzeptanz in der Gesellschaft zu gewährleisten. Die Themenliste ist lang. Aber sie zeigt eindringlich, dass wir aus unserer Glaubensüberzeugung und von unserem christlichen Menschenbild her die Verpflichtung haben, uns für Gottes größere Gerechtigkeit und sein Reich stark zu machen.

Auch in diesem Fall sind uns die Frankenapostel ein Vorbild. Vor den Mächtigen knickten sie nicht ein, sondern verkündigten mutig den Glauben.

Die Vögel des Himmels und die Lilien des Feldes

Jesus gibt uns noch zwei Bilder mit auf den Weg. Er verweist auf die Vögel des Himmels und die Lilien des Feldes. Die Vögel des Himmels legen keine Speicher an, sondern leben von der Hand in den Mund, oder besser: vom täglichen Brot aus der Hand des Vaters. Jesus ermutigt dazu, jetzt einfach anzufangen, in der Hoffnung, dass dem, der das Reich sucht auch von Gott die Mittel dazu gegeben werden. Die Lilien des Feldes stehen für die unverzweckte Schönheit und das göttliche Umsonst. Wer das Reich voranbringen wird, muss wie die Lilien in Vorleistung gehen, ohne zu fragen, was er dafür bekommt.

Gottvertrauen und Großzügigkeit haben uns auch Kilian und seine Gefährten in eindrücklicher Weise vorgelebt.

dann wird euch alles andere dazugegeben!?

Am Ende steht die Verheißung Jesu, „dann wird euch alles andere dazugegeben werden“. Es wäre allerdings ein Missverständnis zu meinen, dass einfach alles gut wird, wenn man das Reich und seine Gerechtigkeit sucht. Das Gegenteil ist der Fall. Die Suche nach dem Reich und seiner Gerechtigkeit führt zu Spannungen und Konflikten, innerhalb wie außerhalb der Kirche. Nicht umsonst lautet die letzte Seligpreisung Jesu: Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich!

Das haben auch unsere Frankenapostel in ihrem Martyrium erfahren. Bitten wir um ihre Fürsprache, dass wir in den Konflikten unserer Tage als Bistum nicht zerbrechen, sondern unser gemeinsames Ringen zur größeren Gerechtigkeit in der Welt führt.