Würzburg (POW) „Man geht immer bereichert nach Hause, trotz vieler beklemmender Erfahrungen.“ Das hat Bischof Dr. Franz Jung am Freitagabend, 25. Juni, über sein Engagement in der Würzburger Bahnhofsmission berichtet. Unter dem Hashtag #ausgetauscht setzte Bischof Jung seine in der Fastenzeit gestartete Reihe von Gesprächen auf dem Social-Media-Kanal Instagram @bistumwuerzburg fort. Seine Gesprächspartner Johanna Anken und Michael Lindner-Jung von der Würzburger Bahnhofsmission beantworteten in der ersten Hälfte des gut halbstündigen Austauschs die Fragen des Bischofs, ehe sie sich mit ihren Fragen an den Gastgeber des virtuellen Gesprächskreises wandten. Bischof Jung arbeitet regelmäßig ehrenamtlich in der Bahnhofsmission mit. Geleitet wird diese vom Theologen und Betriebswirt Lindner-Jung. Dieser ist dort seit seinem ersten Studiensemester 1980 engagiert. Die Sozialpädagogin Anken gehört seit sechs Jahren zum Team der Einrichtung.
Bischof Jung würdigte die Bahnhofsmission als ältestes ökumenisches Projekt. Anken erklärte dem Bischof, dass die Gründung vor mehr als 120 Jahren geschah. Damals seien viele alleinstehende Frauen auf der Suche nach beruflichen Perspektiven vom Land in die Stadt gekommen, wo sie vielen Gefahren ausgesetzt gewesen seien. „Die Idee war, ihnen eine Begleitung zu bieten, bis sie eine Anstellung und eine sichere Unterkunft gefunden haben.“ Das sei auch der Hintergrund, warum die Bahnhofsmission auch heute noch einen Schutzraum und eine Notschlafstätte für Frauen anbiete, erläuterte Anken. „Die Bahnhofsmission ist immer da, wo Hilfe benötigt wird und wenn andere Angebote noch nicht greifen“, ergänzte Lindner-Jung. Auf Nachfrage des Bischofs erklärten die Gesprächspartner, dass im Jahr 2020 in Würzburg rund 33.000 Besucher bei der Bahnhofsmission und 304 Übernachtungen gezählt worden seien. Von den Besuchern sei ein knappes Drittel psychisch krank gewesen. „Viele ziehen sich aus ihrer Umgebung zurück, weil sie mehr als ein Problem haben“, sagte Lindner-Jung. Die Bahnhofsmission sei dann oft die einzige Anlaufstelle. Anken sagte, auch wenn die Arbeit oft belastend sei, zum Beispiel wenn die Besucher ihre Schicksale schilderten, erlebe sie ihr Tun als bereichernd: „Wenn man den Menschen auf Augenhöhe begegnet, bekommt man so viel von unseren Besuchern zurück.“
Warum der Bischof sich entschieden habe, regelmäßig in der Bahnhofsmission mitzuarbeiten, wollte im zweiten Teil des Gesprächs der Leiter von seinem Gesprächspartner wissen. Bischof Jung berichtete von der ansteckenden Begeisterung der dort Tätigen bei der 120-Jahr-Feier als einem Motiv. Außerdem sei der Bahnhof für ihn leicht erreichbar und für die Tätigkeit dort keine Einweisung wie beispielsweise für die Arbeit in einer Altenhilfe-Einrichtung notwendig. Ihm sei es außerdem wichtig, Caritas und Seelsorge zusammen zu denken und auch viele Menschen zu treffen, die sonst nicht im Gottesdienst seien, erklärte der Bischof. Die Bahnhofsmission sei für ihn ein herausragendes Beispiel dafür, wo Kirche eine Not entdeckt habe und andere dazu einlade, mitzuwirken. Die Niederschwelligkeit des an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr erreichbaren Angebots ermögliche tiefe Gespräche, berichtete der Bischof von seinen Erfahrungen. So habe ihm eine Person, die viele Enttäuschungen und Verletzungen in ihrem Leben erfahren habe, mit der Aussage berührt: „Das Wichtigste im Leben ist die Liebe.“
Das komplette Gespräch ist auf dem YouTube-Kanal des Bistums Würzburg zu sehen.
mh (POW)
(2721/0628; E-Mail voraus)
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